RotorBei einer Windenergieanlage bewegen sich Anlagenteile im bestimmungsmäßigen Betrieb im öffentlichen Raum. So etwas stellt nach der europäischen Maschinenrichtlinie eine Gefährdungslage dar und muss im allgemeinen Maschinenbau durch eine Risikoanalyse erkannt und konstruktiv Abhilfe geschaffen werden.

Die Anlagenbauer und Betreiber versichern lautstark, dass alles getan werde, diesem Umstand gerecht zu werden. So sollen Vogelerkennungssysteme installiert werden, um die Anlage „abzuschalten“, wie es so schön heißt, um Kollisionen von Großvögeln zu vermeiden.

Kann aber so ein System die Gefährdung entschärfen?

 

 

 

Im Maschinenbau gibt es zur Abwendung einer Gefahr einen sog. Nothalt. Dies ist ein System, das die Anlage plötzlich stillsetzt, wenn eine Gefährdung erkannt wird und der Nothalt ausgelöst wird.

Für diese Betrachtung gibt es zwei Merkmale:

  1. die Erkennung einer Gefahr
  2. die Stillsetzungszeit, die benötigt wird, bis die Gefährdung hervorrufende, bewegenden Teile stehen.

Erkennung einer Gefahr

Zur Gefahrenerkennung gibt es unterschiedliche Systeme. Das Kompetenzzentrum für Naturschutz und Energiewende (KNE), eine GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), hat in 2019 eine Fachkonferenz durchgeführt, in der der Stand der Technik zum Vogelschutz an Windenergieanlagen vorgestellt wurde. Die Erkennung der Gefahr soll über Radarsysteme und/oder über Kamerasysteme geschehen. Zur Artenerkennung prüft ein Algorithmus die Pixelhelligkeiten und vergleicht sie mit einer eingespeicherten Kontur. Inzwischen wurden weitere Erkenntnisse gewonnen und eine Umsetzung in die Vorgabenwerke zur Zulassung soll bis 2024 abgeschlossen sein, so das KNE in einer Mitteilung vom 2. Dezember 2022.

Wer sich schon einmal mit digitaler Fotografie beschäftigt hat, wird jedoch erkennen, dass dies nicht so einfach ist. Es muss ein entsprechender Kontrast vorhanden sein. Dann muss die Kontur dem eingespeicherten Bild gleichen. Obwohl die Fachtagung sich nur auf wenige definiert eingerichtete Versuchsfelder bezieht, bescheinigen sich die daran Beteiligten gute Ergebnisse.

Allerdings bleiben viele Fragen, die in der Praxis noch kaum erforscht sind. Wie schnell und sicher reagiert das System, wenn sich mehrere Vögel gleichzeitig im Sichtfeld befinden, oder deren Flugbahn sich kreuzen? Wie sicher funktioniert die Erkennung in einem Waldgebiet? Wie sicher in hügeligem Gelände?  Wie sicher funktioniert die Auswertung bei Störungen, wie Regen, Schnee oder Nebel? Was passiert, wenn ein Zugvogelschwarm auftaucht?

Schon allein durch diese Überlegungen zeigt sich, dass es fast unmöglich ist, unter allen Bedingungen eine schnelle und sichere Erkennung eines heranfliegenden Objektes zu detektieren. Die Gefahr ist groß, dass Objekte übersehen werden, aber auch, dass es zu Fehlabschaltungen der Anlage kommt.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) begrüßt zwar das Anliegen, wehrt sich aber gegen übermäßige Abschaltungen mit Forderungen an die Behörden. Im Positionspapier zu „Technische Systeme zur Vogelerkennung mit der Möglichkeit zur Betriebsregulierung von Windenergieanlagen“ von 2020 fordert er die Prüfung der Erforderlichkeit und die Minimierung von Ertragsverlusten.

Stillsetzung der Anlage

Wenn sich Anlagenteile bewegen, sind diese nicht so einfach zu stoppen. Dies besagt schon das Massenträgheitsgesetz der Physik. Sie laufen nach, je nachdem wie schwer oder wie schnell sie sind. Selbst wenn sie mittels einer Bremse gestoppt werden.

Nun versuchen Sie mal ein Anlagenteil, das 60 Tonnen oder mehr wiegt, in seiner Rotation innerhalb weniger Sekunden anzuhalten. Der Rotor einer Windenergieanlage ist dafür nicht ausgelegt und würde dabei zerstört werden. Deshalb ist auch nur von einem „Austrudeln“ die Rede.

Allerdings fragt man sich, wie lange denn so ein „Austrudeln“ anhält, wenn nur die Luftreibung und die innere Anlagenreibung wirken. Wenn sich ein Vogel mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h nähert, legt er in einer Sekunde knapp 14 m zurück. Dabei liegt dieser Wert im unteren Bereich. Manche Großvögel erreichen im Gleitflug bis zu 80 km/h.

Damit müsste der Rotor einer Windturbine in 8 bis 10 Sekunden zum Stehen kommen, egal bei welcher Umdrehungszahl und Umfangsgeschwindigkeit. Vorausgesetzt der Vogel ist bei der Erkennung 110 bis 140 m entfernt. Ein „Austrudeln“ bringt dabei nichts, da damit eine Kollision mit ernsten Folgen nicht verhindert werden kann. Auch muss man noch die Zeit hinzurechnen, von der Erkennung bis alle Anlagenteile entsprechend geschaltet sind, damit es zu einem „Austrudeln“ kommen kann.

Fazit

Das Vorhaben einer Schlagopferminimierung durch ein Antikollisionssystem ist nur ein weiteres Indiz für die Gefährlichkeit der Rotorbewegung eines Windstromgenerators im offenen Raum. Man versucht scheinbar damit, einen Persilschein für das Umgehen des Tötungsverbotes zu bekommen. Eine Sicherheitseinrichtung ist dies jedenfalls nicht, auch nicht, was die Funktionssicherheit des Erkennungssystems anbelangt. Der TÜV Nord hat im Zuge des KNE-Fachgespräches in 2021 versucht, eine Validierung eines solchen Systems vorzunehmen. Diese Präsentation zeigt, dass die technischen Anforderungen äußerst hoch sein können.

Letztendlich hat der Betreiber die Sorgfalt über das System. Wird es regelmäßig gewartet? Was geschieht bei einem Defekt - wird das System, oder gar der ganze Windpark abgeschaltet? Wer kontrolliert den Zustand? Der Betreiber hat zwar den Betriebszustand bei einer Abschaltverordnung der Naturschutzbehörde zu melden, allerdings droht bei aufgedeckten Verstößen zunächst nur ein Bußgeld gemäß den Bußgeldvorschriften des § 69 BNatSchG. Ein Nachweis bei eventuellem Vorsatz dürfte dabei schwer zu führen sein.

Doch es gibt noch weitere Probleme, die gelöst werden müssen: Ein Windstromgenerator, der ständig abgeschaltet und angefahren werden muss, unterliegt einer höheren Beanspruchung und ist letztendlich auch für das Stromnetz eine Belastung.

Welche weiteren Gefahren sich aus einer Windindustrieanlage ergeben, finden Sie im Beitrag „Sauber, die Energie“.